Wie erinnert man sich einer nicht mehr existenten Grenze? Diese Frage brachte den ehemaligen Landtagsabgeordneten und heutigen DAKT-Vorsitzenden Carsten Meyer auf die Idee der Grenzbefahrung. Dieses Jahr führte in Kooperation mit der grünen Landtagsfraktion die Route vom 14.-16. August von Sonneberg über Effelder, Bad Rodach, Haubinda, Bedheim, Hildburghausen, Kloster Veßra nach Meiningen. Entlang der rund 145 Kilometer gab es auch auf unserer 6. Tour sehr viel zu sehen, zu entdecken, zu erfahren.
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GrenzeErfahren2015
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Nach dem Start am Sonneberger Bahnhof «überrollten» wir mehrfach die fränkisch-thüringische Grenze. Jahrhundertelang verlief dort die Grenze zwischen Sachsen-Gotha-Coburg und Bayern. Carsten Meyer berichtete über die dynastischen Verbindungen der Gotha-Coburger in Europa: Von Großbritannien über Portugal, bis Griechenland und Bulgarien. Sachsen-Gotha-Coburg war ein kleines Land mit großen Beziehungen und historischen Verwicklungen seiner Dynastie auch in der jüngeren deutschen Geschichte. In der ersten freien Volksabstimmung in Deutschland votierte 1919 eine übergroße Mehrheit gegen den Zusammenschluss des Freistaates Coburg mit Thüringen, seit 1. Juli 1920 gehört Coburg zu Bayern. Die Stadt wurde dann eine Hochburg der Nationalsozialisten, schon 1929 erhielt die NSDAP zum ersten Mal in einer deutschen Stadt bei den Wahlen die absolute Mehrheit der Sitze. Coburg verlieh 1932 als erste deutsche Stadt Hitler die Ehrenbürgerschaft.
An der Tanzlinde in Effelder gab es die erste größere Pause. Mitglieder der dortigen Kirmesgesellschaft führten uns ein in Geschichte und Bedeutung der Tanzlinde und: Es wurde auch getanzt. Bei über 30 Grad im Schatten war der Froschgrundsee bei Weißenbrunn (Bild), direkt unter einer ICE-Brücke, beim nächsten Stop eine willkommene Abkühlung. An den folgenden Anstiegen zog sich unser 37-TeilnehmerInnen-Feld weit auseinander, leider kam es auch zu einem Sturz. Gut, das das Begleitfahrzeug zügig vor Ort war. Über Rottenbach gelangten wir nach Bad Rodach, den Ort unserer ersten Übernachtung.
Die Samstagsroute begann mit einer Überraschung, dem Korneffer-Kreuz östlich von Streufdorf (Bild). 1730 zogen wieder einmal Militärwerber durch die Dörfer des kleinen Herzogtums Sachsen-Hildburghausen. Der Herzog verkaufte erneut seine Landeskinder in den Kriegsdienst. Andreas Korneffer hatte, betrunken gemacht, eine Verpflichtung unterschrieben. Als er am nächsten Morgen seinen Irrtum erkannte und flüchten wollte, wurde er von den Werbern auf dem Feld erschossen, 22 Jahre alt. An seiner Todesstelle befindet sich seither ein Kreuz am Boden, aus losen Feldsteinen gelegt. Seit bald 300 Jahren wird es erneuert und gepflegt – womöglich ist es das älteste Denkmal eines Deserteurs in Deutschland. Obwohl es sich inmitten des Grenzstreifens auf ostdeutscher Seite befand, wurde es auch in der DDR-Zeit immer wieder ausgebessert. Diese Geschichte berichtete uns das langjährige grüne Kreistagsmitglied Astrid Rühle aus Bedheim.
Der nächste Halt passte irgendwie auch dazu: Im Zweiländermuseum Rodachtal in Streufdorf haben wir viel über die Region, Hexen damals und heute und die jüngste Geschichte an der innerdeutschen Grenze einschließlich Umsiedlungen und die «Aktion Ungeziefer» 1952 bei zwei Führungen gehört. Ein üppiges Mittagessen mit unterschiedlichsten Führungen davor und danach gab es in der ersten Reformschule Deutschlands, in Haubinda. 1901 gegründet, ist die Hermann-Lietz-Schule noch heute ein hochspannendes Beispiel dafür, wie Schule funktionieren kann. Gut 400 SchülerInnen von Klasse 1 an lernen in der Schule. Sie kommen aus der Region oder von weit her, gut 180 wohnen vor Ort im Internat, manche davon reisen sogar aus China an.
Die nächste Teilstrecke führte uns nach Bedheim, zum dortigen Schloß und LebensGarten (Bild). Es erwarteten uns Führungen und Leckereien, sowie ein öffentlicher Vortrag am späten Nachmittag. Reinhard Hotop von Mobit e. V. referierte, auch aus vielfältiger eigener Erfahrung, zum Thema Rechtsextremismus in Südthüringen, es war dies eine Veranstaltung in Kooperation mit DAKT und dem Förderverein Schloss Bedheim e. V. Übernachtet wurde an drei unterschiedlichen Orten in Hildburghausen.
50 Kilometer standen auf dem Programm für den Sonntag, von Hildburghausen bis Meiningen. Erster Halt war der Besuch des Hennebergischen Museums in Kloster Veßra. Neben dem immer noch beeindruckenden Portal (Bild) der 1930 abgebrannten ehemaligen Klosterkirche besticht das Freiluftmuseum durch die dorthin umgesetzten Häuser aus umliegenden Dörfern mit kleinen und interessanten Details sowie eine eher seltene dafür große Sammlung von Landmaschinen. Dank des Vortrages vom Vortag konnten wir auch die Nazi-Lokalität «Goldener Löwe» gleich nebenan einordnen. Unsere eindeutige Protestaktion (Bild) vor Ort führte zu offenkundiger Verwirrung dort. Sogleich wurde uns ein Beobachtungsfahrzeug mit eindeutigem Kennzeichen hinterher geschickt. Die Stadt Potsdam sollte darüber nachdenken, ob sie nicht besser manche Kombinationen von Zahlen und Buchstaben an Nummernschildern unterbinden sollte.
Der Rest des Sonntages gehörte leider dem immer stärker werdenden Regen. Der geplante Besuch der Bakuninhütte musste daher ausfallen, wir fuhren auf dem kürzestem aber trotzdem sehr feuchten Weg, dem Werratal-Radweg, nach Meiningen. Dort gab uns der Kreisverband der Linken in deren Geschäftsstelle Asyl. Hier sprachen dann Michael Wagner und Christian Horn vom Wanderverein Bakunin-Hütte e. V. zur Bedeutung dieser Wanderhütte im historischen Kontext der anarcho-syndikalistischen Bewegung zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Südthüringen und zu ihrer aktuellen Nutzung. Abschließend gab es noch einen Exkurs mit Astrid Rothe-Beinlich und Michael Wagner zur aktuellen Asylpolitik in Thüringen, ehe alle zur Bahn nach Hause aufbrachen.
In diesem Jahr war die Gruppe mit knapp 40 Teilnehmern von acht bis sechzig Jahren alt, aus Weimar, Erfurt, Eisenach, Berlin, Ettischleben… größer denn je. Der besondere Dank gilt daher der Organisatorin Thea Fleischhauer, sowie der Landtagsfraktion Thüringen von Bündnis 90/DIE GRÜNEN.
Wir haben viel aus der Region und aus der Geschichte erfahren und freuen uns schon auf die 7. Grenzerfahrung im nächsten Jahr.